
Der Antikriegstag, wie wir ihn heute am 1. September kennen, wird seit 1957 begangen und soll an den deutschen Überfall auf Polen im Jahr 1939 erinnern.
Das „nie wieder“ ist fester Bestandteil dieses Tages. Neben dem internationalen Friedenstag am 21. September und den Ostermärschen wurde er schnell zu einem der wichtigsten Tage von Menschen, die Krieg als gewaltvolles Mittel der Konfliktaustragung ablehnen und die Verantwortung eines Landes, welches seinen Nachbarn gewalttätig überfallen und gebrandschatzt hat, sehen.
Dass der Antikriegstag erst so viele Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges das erste Mal gefeiert wurde, mag irritieren. Eine große Bedeutung erhielt das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Krieg allerdings gerade in dem Jahr 1957. In dem Jahr nämlich, in dem das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg deutsche Wehrpflichtige in die Kasernen der Bundeswehr einzogen. Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt, die ersten Wehrpflichtigen im April 1957 eingezogen. Damit wurden Befürchtungen geweckt. Es war klar, dass die Verantwortlichen des 2. Weltkrieges nicht zwangsläufig ihre Posten geräumt hatten. Und wieder einmal wurden ihnen junge Männer zur Ausbildung anvertraut. Daraus ergab sich die Mahnung, der Aufruf und die Forderung Krieg nie wieder zuzulassen.
War die Wehrpflicht lange etwas, was das Leben in Deutschland begleitet hat, wurde sie 2011 ausgesetzt. Mit den Aggressionen Russlands gegenüber seinen Nachbarn, der internationalen Verunsicherung und dem Rückzug der US-amerikanischen Schutzversprechen gewinnt die Debatte um die Wiedereinführung an Zug. Es wird das „schwedischen Modell“ geplant, ein Modell des Auswahlwehrdienstes, der auf Freiwilligkeit nach einem verpflichtenden Fragebogen basiert. Ein Modell, was 2017 von der schwedischen Regierung durch eine allgemeine Wehrpflicht ersetzt wurde. Nicht genug Rekrut:innen und nicht angemessen für die Landesverteidigung.
Auch im deutschen Fall nennen erste Stimmen den Auswahlwehrdienst als Zwischenschritt zurück zur allgemeinen Wehrpflicht.
Damit gewinnen Strukturen erneut an Bedeutung, die nun über ein Jahrzehnt nicht ausgebaut wurden. Zahlen der Beratung von Kriegsdienstverweigerern zeigen einen stetigen Anstieg. Eltern rufen für ihre Kinder an. Junge Menschen rufen an und fragen, was sie tun sollen. Reservist:innen melden sich und wollen endlich abschließen.
Sozialverbände wie die Diakonie, Jugendverbände der Kirchen, Gewerkschaften und weitere Institutionen sehen die mögliche Wiedereinführung sehr kritisch.
Eventuell werden wir also eine Neubelebung des Antikriegstages mit den originalen Inhalten erleben. „Back to the roots“ eben. Aber auch andere Themen gibt es genug. Schließlich jährt sich dieses Jahr auch die KSZE-Schlussakte von Helsinki zum 50. Mal und zum 500. Mal die Bauernkriege mit ihren 12 Artikeln.
Felix Paul, Beauftragter für Friedensfragen