Der Frauenmonat März, eine gemeinsame Aktion der Teams Arbeit und Wirtschaft und Generationen und Geschlecher der Service Agentur der Landeskirche widmet sich dem Thema „Frauen und Gesundheit in der Arbeitswelt“.
Ein zentrales Element sind die wöchentlichen Andachten, die Impulse zu relevanten Themen setzen. Sie beleuchten stereotype Rollenerwartungen, Machtverhältnisse und Konflikte am Arbeitsplatz sowie neue berufliche Ziele und Herausforderungen. Zudem beschäftigen sie sich mit dem generationsübergreifenden Arbeiten und dem gegenseitigen Verständnis im Berufsleben. Jede Woche veröffentlichen wir immer mittwochs um 10 Uhr eine Andacht und donnerstags einen thematischen Beitrag.
Unsere Themen:
- März-Woche: Von Rollenerwartungen und Rückenschmerzen
- März-Woche: Von Macht und Mobbing
- März-Woche: Von Frauenleiden, Fachkräftemangel und anderen Veränderungen
- März-Woche: Von den Mühen der Vielfalt und der Demontage nicht nur in der Frauenpolitik
Die ergänzenden thematischen Beiträge werfen unter anderem einen Blick auf psychische Belastungen im Berufsumfeld, Erfahrungen mit Mobbing aus weiblicher Perspektive, die Bedeutung der Menopause für das Personalmanagement sowie die Vorteile von Altersdiversität in Unternehmen.
Mit inspirierenden Andachten und informativen Beiträgen möchten wir zum Nachdenken anregen und den Dialog über Frauen und Gesundheit in der Arbeitswelt fördern.
13. März
Impuls „Mobbing für Frauen und Fortgeschrittene“
Das psychische Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist von entscheidender Bedeutung, auch wenn wir uns manchmal auf der Arbeit und über die Kolleg*innen und Chefs ärgern. Konflikte gehören zum Alltag, auch auf der Arbeit. Unterschiedlicher Meinung zu sein, verschiedene Interessen zu verfolgen oder andere Prioritäten zu setzen, ist normal. Auseinandersetzungen sind wichtig, um im Team oder mit einem Projekt weiter zu kommen.
Werden allerdings Konflikte mit Kollegen:innen und Vorgesetzten oder Kunden zu einem dauerhaften Problem oder wird sogar Mobbing zum Alltag, kann der Arbeitsplatz zur ernsthaften psychischen Belastung werden und krankmachen. Statistiken zeigen, dass fast jede:r dritte Deutsche angibt, selbst schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein. Frauen sagen dies mit 35 Prozent häufiger als Männer mit 22 Prozent. (YoGov/Statista 2021). Nach den neuesten Zahlen des Ende Februar vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichten Mobbing-Reports gaben insgesamt 7,1 % Frauen und 6,0 % Männer an, im letzten halben Jahr mindestens wöchentlich von Mobbing betroffen gewesen zu sein.
Schätzungen zufolge verursacht Mobbing in Unternehmen jährlich Kosten von bis zu 1,5 Milliarden Euro, die durch Krankheitsausfälle, Fluktuation und Produktivitätsverluste entstehen. Laut einer Studie der Universität Mannheim belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten durch Mobbing auf bis zu 14 Milliarden Euro jährlich.
Das sind Fakten genug, um auf Arbeitnehmer:innen- und Arbeitgeberseite das Problem im eigenen Betrieb anzugehen!
Susanne Schneider ist Mentorin, Systemischer Coach und Mediatorin. Sie arbeitet als zertifizierte Konflikt- und Mobbingberaterin bei der katholischen Betriebsseelsorge in Bamberg. Nina Golf vom kda Bayern hat sich mit der Konfliktexpertin unterhalten. Beide sind Mitglieder im „Netzwerk Konfliktkultur und Mobbing in Arbeitswelt und Schule im Großraum Nürnberg“.
Du berätst täglich hilfesuchende Menschen, die unter Konflikten und Mobbing am Arbeitsplatz leiden. Studien zufolge sind Frauen von Mobbing häufiger und anders betroffen, ist das auch deine Beratungserfahrung?
Susanne Schneider: Zu mir in die Beratung kommen zu 90 % Frauen. Männer machen einen weitaus kleineren Anteil aus. In meinem Beratungsalltag beobachte ich, dass Frauen meist viel zu lange abwarten, bis sie sich um Hilfe von außen bemühen. Sie versuchen häufig monate- oder gar jahrelang die erlebten und erlittenen Belastungen auszuhalten. Sie hoffen, dass das, was sie erleben müssen, einfach so wieder aufhört. Erst wenn sie bemerken, dass sie unter all dem Leid zerbrechen und nicht mehr weiterkönnen, melden sie sich zur Beratung an.
Warum Männer weniger in die Beratung kommen, kann ich nur vermuten. Männer haben möglicherweise andere, bisweilen wohl auch machtvollere Strategien. Sie gehen wahrscheinlich früher in die verbale Auseinandersetzung, weisen dem Mobber Grenzen auf, wehren sich schneller rechtlich oder lenken sich einfach ab.
Wer dann aber zu mir in die Beratung kommt, hat seine über lange Zeit quälend leidvolle Erfahrung gemacht. Und der Schritt, sich nach außen zu wenden und Hilfe zu holen ist auch kein einfacher. Vielleicht sind Frauen hier mutiger?
Welche betrieblichen Bedingungen und Strukturen begünstigen Mobbingprozesse und sind auch für Frauen von Bedeutung?
Mobbing geschieht, weil es unter bestimmten Rahmenbedingungen gut gedeihen kann. Ursachen von Mobbing sind eine ungünstige Konstellation von Personen, Ereignissen und betrieblichen Rahmenbedingungen. Als Risikofaktoren fallen immer wieder folgende Komponenten auf: schlechtes Betriebsklima, Stress wegen Unsicherheit des Arbeitsplatzes, Konkurrenzsituationen, wenig unterstützende Führung, mangelnde Einbindung und Transparenz in unternehmerisches Vorhaben, viele Frustrationserlebnisse in den Arbeitsteams. Dazu kommen oft eine große Personalknappheit und hohe Fluktuation sowie kaum wertschätzende Anerkennung für die geleistete Arbeit.
Mobbing ist Gewalt und Macht. Wer in machtvollen Positionen sitzt, ist vor Mobbing mehr geschützt. So ist meine Beobachtung, dass vor allem teilzeitbeschäftigte Frauen besonders gefährdet sind. Sie sind seltener in verantwortlichen Machtpositionen. Oft ist auch die finanzielle Abhängigkeit vom Job als Alleinerziehende dafür verantwortlich, dass vor allem Frauen die gewaltvollen Mobbingerfahrungen aushalten. Sie sehen keine Alternative und harren aus.
Worunter leiden Frauen am meisten? Wie kommen Frauen zurecht in besonders belastenden Arbeitssituationen?
Susanne Schneider: Von Mobbing Betroffene leiden unter einer lang andauernden Entwertung, Schikane, Erniedrigung und Ausgrenzung, um nur ein paar Schlaglichter zu werfen. Derartige Erfahrungen haben nach kürzester Zeit Auswirkungen auf Leib und Seele. Die Frauen erzählen mir von Schlafstörungen, Magenproblemen, Niedergeschlagenheit, depressiver Verstimmung. Im weiteren Verlauf stellt sich häufig bei allen eine Minderung des Selbstwertgefühles ein. Selbstzweifel. Die Betroffenen wissen nicht mehr, was sie glauben sollen, wissen nicht, das Erlebte „richtig“ einzusortieren.
Das Fatale an den meisten Mobbing-Geschichten ist, dass die Betroffenen zu lange warten. Sie versuchen – unter Angst und großem Druck – akribisch, alles richtig zu machen. Das führt aber genau zum Gegenteil: Fehler passieren, das eigene Verhalten wirkt – aus lauter Vorsicht – verkrampft, die Zusammenarbeit erscheint nach außen hin reduziert. Jetzt lauern Fehlentscheidungen! Denn von Seiten der Personalabteilung oder von Vorgesetzten kommt an dieser Stelle prompt die Antwort: Abmahnung! Wegen der Fehler, wegen der zurückhaltenden Verhaltensweisen. Die Leitung unterstellt mangelnde Kooperation und bewusste schlechte Zusammenarbeit. Das setzt den Gemobbten die Krone der Häme auf, es zeigt, wie perfide dieses „Mobbing-Spiel“ ist: Das, was die Betroffenen tun, um vermeintlich da rauszukommen, reitet sie immer tiefer rein. Im Grunde können die Gemobbten an dieser Stelle schon gar nichts mehr „richtig“ machen, denn darum geht es nicht. Bei Mobbing geht es – meist – um den inszenierten Ausstoß von Mitarbeiter:innen aus dem Arbeitsplatz.
Unter diesen Zusammenhängen leiden die Frauen am meisten. Und das ist sehr nachvollziehbar. Mobbing ist Gewalt und Macht. Kein Kavaliersdelikt.
Frauen können besser damit umgehen, wenn sie verstehen, dass ihre körperlichen und psychischen Reaktionen nicht „falsch“ sind. Wenn sie verstehen, dass ihre innerlichen Reaktionen gesunde Antworten auf eine krankmachende Situation bedeuten. Nicht sie sind krank, sondern das System, in dem sie da stecken, ist krankmachend!
Was ist dein Tipp für alle Frauen, die massive Konflikte oder Mobbing im Arbeitsalltag erleben? Kann Solidarität helfen?
Susanne Schneider: Es ist hilfreich zu verstehen, dass Mobbing nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern letztlich ein Symptomträger für ein krankes und krankmachendes System ist:
Die Strukturen im Betrieb oder im Unternehmen haben Schwächen – damit bereiten sie einen gedeihlichen Boden für die Entstehung und das Wachstum von Mobbing.
Mobbing ist immer ein Gruppenprozess. Viele Kolleginnen oder Kollegen nehmen über kurz oder lang, bewusst oder unbewusst, verschiedenen Rollen ein: Manche mobben mit, die anderen sehen nur zu und vereinzelt gibt es Personen, die anfänglich noch Hilfe leisten. Im Laufe der Zeit lassen aber auch Unterstützungsversuche nach: Der oder die Gemobbte steht alleine da.
Daher ist meine Empfehlung: Bleibt hellhörig! Bleibt auch als Nichtbetroffene wachsam, fragt bei den vermeintlich Gemobbten nach, wenn euch etwas auffällt. Fragt, ob eure Beobachtung stimmt! Fragt, wie ihr unterstützen könnt.
Der oder dem verunsicherten Betroffenen möchte ich raten:
Nimm deine Signale aus Körper und Seele wahr – ernst! Dein Körper ist der Kompass – er sendet dir Gefahrensignale. In diesen Momenten ist es hilfreich, innezuhalten und zu überprüfen, was das Unwohlsein erzeugt hat. Was genau ist geschehen, habe ich gehört oder erfahren, was diese Reaktionen in mir ausgelöst hat. Was denke ich darüber?
Nicht selten kann mit dieser Achtsamkeit eine Situation hinterfragt und analysiert werden. Was will mir meine Reaktion genau sagen? Welche Vermutung habe ich? Wie kann ich sinnvoll darauf reagieren.
Hole dir Hilfe! Du bist nicht allein. Es gibt – siehe unten – Anlaufstellen und Menschen, die dich in dieser Situation beraten und begleiten können.
Frauen profitieren von rechtlichen Schutzmechanismen wie dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz. Allerdings schützt der bestehende rechtliche Rahmen Mobbingbetroffene nur ungenügend. Daher braucht es ein Gesetz für den besseren Schutz von Mobbingbetroffenen. Was können Unternehmen konkret tun, um Mobbing zu verhindern?
Susanne Schneider: Prävention ist das Einzige, was wirklich wirksam gegen Mobbing getan werden kann. Konkret bedeutet das:
Von Seiten der Unternehmensführung braucht es eine konstruktive Konfliktkultur. Hilfreich ist es, wenn Mobbing begünstigende Rahmenbedingungen bekannt sind und begrenzt werden (Personalknappheit, hohe Fluktuation, wenig Mitbestimmung, starke Hierarchien, zu lasches oder zu aggressives Führungsverhalten, hohe Konkurrenzen, wenig Wertschätzung etc.) Das Übel also an den Wurzeln packen!
Und sollte es dann doch zu Mobbing kommen, ist die Unternehmensführung gut beraten, wenn sie:
a) die Systematik, die Prozessschritte in einem Mobbingverlauf kennt (lernende und schlaue Organisation) und
b) wenn sie sich in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung bereits verpflichtet hat, wie mit Mobbingvorwürfen, Mobbingtatbeständen umgegangen wird.
Das Signal, das von einer derartigen Dienst- oder Betriebsvereinbarung ausgeht, ist bedeutsam und wirkungsvoll: Mobbing tolerieren wir nicht!
Auf Seiten von Mitarbeitenden und von Personalvertretungen ist es sinnvoll, achtsam zu sein und zu wissen, wie man Mobbing erkennen kann. Bei Verdachtsfällen darf man sich vorsichtig sein Bild machen, ob es sich in dem Fall um Mobbing handeln kann. Auch hier wird eine gute Dienst- oder Betriebsvereinbarung für jeden ersichtlich beschreiben, was zu tun ist. Im Zweifelsfall kann man mit der betroffenen Person in Kontakt gehen, seine Beobachtungen teilen und solidarisch Hilfe anbieten – wenn gewünscht.
Das Gesetz für den besseren Schutz vor Mobbing ist also die Verankerung in einer gelebten Dienstvereinbarung: Einzelne Schritte im Erkennen, im Umgang, mit Interventionen und Sanktionen sind darin beschreiben und gelten verpflichtend für alle. Ohne Rücksicht auf Hierarchien.
Gut zu wissen!
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Nicht jeder Konflikt auf der Arbeit ist Mobbing.
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Mobbing ist heftig und eine Form von Gewalt.
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Auch Konflikte, die kein Mobbing sind, können erheblich verletzen, belasten und krankmachen.
Unter Mobbing versteht man die gezielte, systematische Schikane gegen einzelne Personen, oder gegen eine Person, die in der Minderheit ist, mit dem Ziel, sie zu isolieren und manchmal sogar auch, sie aus dem Arbeitsplatz zu verdrängen (Christa Kolodej)
Mobbing ist NICHT: Rechtmäßige, betriebswirtschaftliche Maßnahmen, ein schlechtes Betriebsklima, Konflikte mit fünf Kollegen:innen am Arbeitsplatz, also in der Regel einmalige Handlungen, die man selbst als unangenehm erlebt, aber eben nicht die die typische systematischen Schikane.
Es gibt kostenfreie, vertrauliche und anonyme Anlauf- und Beratungsstellen im Verbund des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche und der Katholischen Betriebsseelsorge mit den Gewerkschaften.
Beratungsmöglichkeiten bei Konflikten am Arbeitsplatz und Mobbing gibt es u.a. über:
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Netzwerk Konfliktkultur und Mobbing in Arbeitswelt und Schule im Großraum Nürnberg
www.konflikt-werkstatt.de -
Mobbing Telefon München
089 60 60 00 70 -
Mobbing Hotline Frankfurt-Rhein-Main
069/830077128
069/830077129
www.mobbing-frankfurt.de -
Mobbing-Beratungstelefon Freiburg / Südbaden
0761/29280099
www.mobbing-beratungstelefon.de -
Konflikthotline Baden-Württemberg e.V.
0711/89244300
www.konflikthotline-bw.de -
MobbingLine Nordrhein-Westfalen
0211/8371911
https://www.komnet.nrw.de/service/MobbingLine/ -
Mobbing Kontaktstelle Aachen
0800 182 0 182
www.mobbing-kontakt-stelle.de -
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Mobbing-Report 2024: Mobbing in der Arbeitswelt - Bedeutung, Verbreitung und Prävention
https://bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/report-mobbing-in-der-arbeitswelt
12. März
Andacht zum Wochenspruch: „Im Sand ist es geschrieben“ (Joh 8,2-11)
Wenn beim Mannheimer Mobbingtelefon oder der überregionalen Konflikthotline das Telefon klingelt, meldet sich am anderen Ende der Leitung in weit über 50 Prozent der Fälle eine weibliche Stimme. Erst zurückhaltend, dann immer intensiver erzählt die Stimme. Sie erzählt von der Not, die am Arbeitsplatz ertragen und ausgehalten wird, von den alltäglichen kleinen Gehässigkeiten und Gemeinheiten, den immer wiederkehrenden Grenzüberschreitungen. Sie erzählt davon, wie immer mehr Menschen sich daran beteiligen und die eigene Einsamkeit wächst.
„Warum ich?“
Die Stimme erzählt von Unverständnis, von Angst und Verzweiflung. Sie erzählt von der Wirklichkeit dieses Lebens. Nicht selten fließen Tränen.
Gemeinsam suchen wir Wege heraus aus dieser Hölle eskalierender Konflikte und mobbender Kollegen. Manchmal finden wir welche, zumindest erste Schritte. Manchmal hilft auch einfach nur der Trost des ruhigen Zuhörens und der Ernst, mit dem ich der Stimme und ihrer Erzählung begegne.
Wer solche Beratung schon einmal geleistet hat, lernt eine andere Welt kennen. Es ist eine Welt, in der die einen über die anderen herrschen wollen. Es ist eine Welt, in der ausgeübte Macht mit ihrem ganzen bösen Beiwerk real ist. Es ist unsere Welt. Nicht nur an dieser Stelle, aber besonders hier ist sie gnadenlos, erbarmungslos und in allem lieblos. Sie zerstört das Leben.
Betroffen sind vor allem Frauen. Jedenfalls ist das der Befund aus der konkreten Beratungstätigkeit. Vielleicht sind genauso viele Männer betroffen. Die aber erscheinen an den Telefonen in deutlich geringerer Zahl.
Wer aber hegt die Macht ein, unter der die Menschen leiden? Wer stellt Gnade, Erbarmen und Liebe wieder her? Wer schafft neues Leben?
„Wer unter Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“, sagt Jesus Christus, als die Männer eine Frau vor ihn zerren, dass er über sie urteile (Joh 8,7). Das Problem ist ein Altes. Sehr alt. Schon die Bibel erzählt von dieser ausgeübten gewaltbereiten Macht. Das Leben ist schnell vernichtet. Die Frau in der Geschichte ist eigentlich schon tot.
Jesus Christus aber bewahrt vor dem Tod. Er bewahrt die Frau. Zuallererst. Er bewahrt aber auch die Männer und richtet sie neu aus. Er liebt das Leben.
Und:
Jesus nimmt das Leben selbst in die Pflicht. Jedes einzelne. Niemand darf zuschauen. Jeder ist gefragt zu handeln.
Bei sich selbst.
Einschreiten.
Aus Gnade und Erbarmen.
Ein neues Leben.
Aus Liebe.
Im Sand ist es geschrieben. Es verfliegt schnell. Bewahrt es, damit das Leben bleiben kann.
Maximilian Hesslein, Industrie- und Sozialpfarrer, KDA Mannheim
6. März
Impuls „Und was machst du so beruflich, Barbie?“ - Interview zum 66. Geburtstag von Barbie
Hallo Barbie, herzlich willkommen zum Interview und alles Gute zum 66. Geburtstag! Younger than ever! Aber ich habe mal eine Frage: In all den Jahren hast du viele Berufe ausgeübt, aber stimmen die wirklich alle? Viele deiner Kritiker sagen, dass du in einer Blase lebst und die Möglichkeiten von Frauen in der echten Welt verzerrst. Was sagst du dazu?
Barbie: Vielen Dank! Es fühlt sich wirklich gut an, all diese Jahre hinter mir zu haben. Aktuell arbeite ich als Ingenieurin, eine der neuesten Positionen, die ich übernommen habe. Zuvor war ich unter anderem Ärztin, Astronautin, Anwältin, Unternehmerin und sogar Präsidentin! Ich wollte immer, dass die Mädchen, die mit mir spielen, verstehen, dass sie alles erreichen können, was sie sich vornehmen. Es geht darum, dass sie an sich glauben. Das war mir auch in meinem Film wichtig zu transportieren, den kennst du ja vielleicht?
Ja klar, starke Rolle! Aber irgendwie wundert es mich, dass dir alles gelingt, auch beruflich. Es wirkt so, als könntest du alles tun. Aber ist das wirklich realistisch? Oder alles Fake? Viele sagen, dass deine Karrieren eher dazu dienen, ein unrealistisches Bild von Frauen zu verbreiten. Wie siehst du das?
Barbie: Es ist beides: Realität und Fake. Frauen haben diese Berufe und sind enorm erfolgreich und gleichzeitig muss ich zugeben, dass ich in den 66 Jahren immer ein sehr idealisiertes Bild von Frauen dargestellt habe. Ob die Länge meiner Beine oder die Vielfalt meiner Berufe: Die berufliche Wirklichkeit von Frauen ist ja auch oft herausfordernd, steinig und sexistisch: Ungleiche Bezahlung, ungleiche Rollenerwartungen und lahme Altherren-Witze.
Und ganz ehrlich: Die haben mir Werkzeuge und Arbeitsmittel mitgegeben, die nichts getaugt haben. Ich habe damit nur Mist gebaut, weil meine Ausstattung Schrott war.
Du sprichst von den Herausforderungen, aber deine Figur ist oft das genaue Gegenteil dieser Realität. Dein Körper entspricht körperlichen Proportionen, die in der echten Welt völlig unrealistisch sind. Hast du jemals darüber nachgedacht, wie schädlich dein Aussehen für das Selbstbild von jungen Mädchen sein könnte? Und wie geht es dir damit?
Barbie: Klar, ich verkörpere Schönheitsideale, die nie erreicht werden können. Mehr noch: Sie sind schlichtweg anatomischer Quatsch. Ich denke, das hat vielen Mädchen und Frauen falsche Vorstellungen davon vermittelt, wie sie aussehen „müssen“. Wenn ich darüber nachdenke wird mir regelmäßig übel.
Ich selber muss mit 66 Jahren nun das ausbaden, was meine Schöpfer angerichtet haben. Meine Rücken- und Hüftschmerzen, das wenige Haar, was mir vom vielen Färben und Bleichen ausgegangen ist, die Krampfadern vom permanenten auf den Zehen gehen, die Augenentzündungen und Schmink-Allergie und leider auch die Depressionen, nie für voll genommen zu werden.
Es klingt so, als ob du jetzt erkennst, wie problematisch dein Image war, weil dein Körper älter wird. Wie fühlst du dich, wenn du realisierst, dass deine Darstellung auch zu einem Teil des Problems wurde?
Barbie: Es ist eine unangenehme, aber notwendige Erkenntnis. Und leider bin ich nicht nur ein Relikt aus alten, längst vergangenen Zeiten. Eigentlich ist das heutige Instagram-, TikTok- und YouTube-Zeitalter das ideale Barbie-Zeitalter. Noch nie habe ich so viele Schwestern wie auf Social Media gesehen: die Fotofilter, die Make-Ups… Ich meine, dass KI und Social Media, also die Vermarktung des künstlichen Alter Egos, auch ein neues Barbie-Zeitalter eingeläutet hat.
Es besteht schon ein Zusammenhang zwischen den vielen Berufen und meinem unrealistischen Körperbild. Das ständige Aufeinandertreffen von Schönheit und Erfolg vermittelt irgendwie ein toxisches Bild von Frauen – eine Art „Superfrau“, die perfekt in jeder Hinsicht ist.
Letzte Frage, Barbie. Wenn du heute eine Nachricht an junge Mädchen senden könntest, die sich immer noch von deinem Bild beeinflussen lassen, was würdest du ihnen sagen?
Barbie: Ich würde ihnen sagen, liebt euch so wie ihr seid! Perfektion ist weder real noch erstrebenswert. Ihr braucht nicht notwendigerweise Schminke und rosa Anzug. Was wirklich zählt, ist eure Originalität und der Mut, Neues zu wagen. Eine gute Ausbildung in einem Beruf, der Spaß macht und finanzielle Unabhängigkeit bietet, ist allerdings ein Muss. Da bin ich total konservativ, spätestens seit den Film-Erfahrungen mit Ken.
Vielen Dank und HAPPY BIRTHDAY, Barbie!
Nina Golf, wissenschaftliche Referentin, kda Bayern
5. März
Andacht „Guilty Pleasures“
Eines der „guilty pleasures“, der sündigen Vergnügen, denen ich mich manchmal hingebe, sind kleine Videos von so genannten „Tradwives“, die ich mir abends auf meinem Handy anschaue: junge Frauen, die in schönen Kleidern und sorgfältig geschminkt in ihrem Haushalt wirken. Ich tauche ein in ihre Phantasie- und Märchenwelt und stelle mir vor, auch ich würde Gummibärchen oder Bratwürste selbst herstellen, Tischdecken umhäkeln oder meinen acht Kindern beibringen, wie man Kühe von Hand melkt.
Keine Frau, die ich kenne, hat für sowas Zeit. Genau deshalb ist der Trend ja so faszinierend. Die Tradwives inszenieren ein trotziges Gegenbild zur modernen, emanzipierten Frau, die – wie die meisten von uns – erwerbstätig ist, immer zu wenig Zeit hat, und im ständigen Spagat zwischen ihren vielfältigen Verpflichtungen kurz vorm Burnout balanciert.
Seit einiger Zeit sind die Tradwives so etwas wie die Buhfrauen des Internet. Fast als hätten sie persönlich Donald Trump ins Amt katapultiert (und nicht etwa die vor allem weißen Männer, die ihn ganz überproportional gewählt haben). Sie werden kritisiert als Antifeministinnen, die jungen Frauen eine Welt vorgaukeln, die es nicht gibt, und sie davon abhalten, sich auf ihre Berufe und Karrieren zu konzentrieren.
Und ja, da ist natürlich was dran. Frauen beim Backen, Putzen und Kinderbespielen zuzuschauen, die unendlich viel Zeit und sichtlich keinerlei Geldsorgen haben, ist eine Flucht vor der Realität. Und für die emanzipierte Frau von heute eine Faszination des Schreckens. Darf man das denn? Ist das nicht jugendgefährdend?
Aber die Sehnsucht hinter dem Trend ist real. Die Tradwife-Influencerinnen legen ihre mehlbesprenkelten Finger in die Wunden der heutigen Erwerbsarbeitswelt, die oft wenig Befriedigung mit sich bringt, dafür aber Leistungsdruck, Stress, Zeitmangel. Aller feministischen Kritik zum Trotz ist sie immer noch auf kerngesunde Menschen ohne Care-Verpflichtungen eingerichtet. Die vermeintliche „Vereinbarkeit“ von Kindererziehung, Sorge für Alte und Pflegebedürfte und Berufstätigkeit ist ein Witz, und den Preis bezahlen in der Regel Frauen, die bis zur ständigen Erschöpfung rennen und schuften.
Zugegeben: Plüschige Hausfrauennostalgie ist auch keine Lösung. Aber Sünde, so wissen wir doch, ist nicht individuelle Schuld, sondern die Verstrickung in gottlose Strukturen. Und es sind die Strukturen, auf die sich auch die Kritik am Kult der „Tradwives“ richten muss, nicht einzelne Frauen, die „unfeministische“ Videos drehen. Oder sich anschauen.
Antje Schrupp, Journalistin und Politologin